Ich habe diesen Film nicht danach gefragt, mich was zu fragen und dennoch hat er es getan. "Captain Fantastic" flimmerte gestern Abend über die Leinwand eines kleinen Kieler Kinos und fragte mich: Wie lebst Du und Deine Familie – und äh, was machen wir hier eigentlich alle überhaupt?
In "Captain Fantastic" begegnen sich Extreme: Ein Familienvater (Viggo Mortensen) hat beschlossen, seine sechs Kinder und deren mittlerweile verstorbene Mutter der wahnsinnigen Welt "da draußen" zu entziehen und sie alle samt davor zu beschützen. Er lebt mit ihnen zurückgezogen in einem Wald, die Tage folgen einem streng strukturiertem Ablauf mit vollem Programm. Sich selbst als "Trotzist" bezeichnend, lehrt er seinen Kindern die Lehren von Marxismus bis Maoismus, verneint jegliche Religion, baut auf Naturwissenschaft und rationellem Denken, fordert von ihnen in allen Alltäglichkeiten ein hohes Maß an Kraft, Mut, Selbstständigkeit, Durchsetzungsvermögen und Aufrichtigkeit...
Besessen von seiner Idee, das ideale Leben führen und für seine Kinder das allerbeste zu tun, vergisst er jedoch, dass nicht er es ist, der das Leben seiner Kinder führen wird. Sondern ganz alleine diese. Dass er ihnen zwar Theorien und Ansichten, Klettern, Jagen und Diskutieren lehren kann, aber nicht wirklich etwas darüber, wer sie sind, was sie wollen und was sie fühlen. Wie man es also macht so macht man es falsch? Nun und nein, sicherlich nicht. Aber man merkt schnell, Extreme, und seien sie noch so wohl gewollt, tuen niemandem so richtig gut – denn auch sie verbauen Wege. Dennoch helfen sie beim Betrachten dieses Filmes herauf zu spüren, in welche Richtung denn das eigene Herz so pendelt. In Richtung eines von der Gesellschaft genormten und bestimmten Leben in vorgegebenen Bildungs-, Rechtsstaats- Verhaltens- und Verkehrsleitsystemen? Oder eher in Richtung eines selbstbestimmten "Aussteigerdaseins", jenseits von "Gut und Böse"? Sind denn die eigenen Regeln wirklich die besseren? Wer passt sich eigentlich wem an? Lernen wir nicht auch aus dem Miteinander mit anderen Menschen - und sei es, dass wir uns gegen sie und ihre Haltung entscheiden? Und was ist mit all den Fehlern, die wir machen? Gibt es die überhaupt noch, wenn wir eh nur das machen, was wir wollen….? Und wofür gründen wir eigentlich Familien? Um mit ihnen leben und zu erleben? Oder weil man das halt so macht? Und wofür stehen wir jeden Tag auf und gehen zur Arbeit, um unsere Familie zu ernähren? Und wen sehen wir den ganzen Tag lang nicht? Unsere Familien… Dieser wunderschöne Film fragt mich noch heute Löcher in den Bauch. Ich kann mir selbst längst noch keine klaren Antworten geben. Dennoch: Mein Herz pendelt in Richtung Captain Fantastic. Nicht, weil ich in den Wald ziehen möchte. Aber weil es ein wunderschöner Film ist. Und weil seine Ideen mutig sind. Und zwar nicht unbedingt die "Extremen", sondern die, ab dem Punkt, wo Herr Fantastic endlich spürt, dass auch er nicht fehlerfrei ist - und dass zu einer großen Idee nicht allein seine Überzeugungen gehören, sondern auch die Instinkte und Wünsche seiner Kinder. Habe ich schon erwähnt, dass man sich diesen Film unbedingt ansehen sollte ? ;-)
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August 2020
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