Text und Raval I Katharina Troch
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Das Karma von Disco Mario

Skorpione domptieren in der Sahara. Weltumseglung in einer Nussschale. Oder doch lieber Kommunikationstraining mit Killerwalen? Genervt höre ich auf nach der perfekten Reise zu googlen. Und entscheide mich für Sardinien. Denn meine Güte:
Ich will doch einfach nur in den Urlaub!
Es ist Oktober. Eine gute Freundin und ich suchen die Sonne. Und wir werden sie finden. Auf Sardinien. Niemals zuvor bin ich dort gewesen, doch gebildete Vielreiser als auch gebundene Reiseführer behaupten von der zweitgrößten Mittelmeerinsel: In der Nachsaison ist dort Platz für alle da. Wir setzen uns in den Van. Wir fahren los. Angekommen am Hafen von Livorno, begeben wir uns mit weiteren Autos, Wohnwägen und LKWs in Warteposition und blicken ungehemmt auf das blanke Hinterteil der Fähre.

Als das Warten jedoch kein Ende nimmt, und ich ungeduldig werde, denn ich habe keine Zeit, denn ich muss in den Urlaub, höre ich das Innere des italienischen Kleinwagens neben uns. Gefahren von einem italienischen Kleinmann. Ich taufe ihn Disco-Mario, denn er hat sein Fenster runter gekurbelt und singt lauthals mit. Ein musikalisches Desaster auf vier Rädern. Ich fühle mich zum Duell herausgefordert. Ich verlange unserer Nissan Soundanlage und meiner Mitreisererin alles ab, kurbele ebenfalls die Scheibe herunter und schiele zu meinem Konkurrenten. Er reagiert nicht. Ich drehe lauter. Er singt weiter. Ich bin auf Stress aus. Er bleibt die Ruhe selbst. Na gut. Mach ich eben mit. Karma – komm mal rüber.

Kaum sitzen wir an Deck, bekommen wir Besuch. Stijn aus den Niederlanden lädt sich selbst ein und bekommt dafür Kippen und Dosenbier. Gegen Geld wird er wiederum ein paar sardische Campingplätze winterfest machen. Er hat sich irgendwann gegen festes Einkommen und für freies Weiterkommen entschieden. Lebt seit sechs Jahren in Italien und arbeitet mal hier. Mal da. Wir quatschen über Berlusconi und über die Reinigung von Kristallen in Salzwasser bei Mondlicht. Beides bringt niemanden weiter. Aber hilft dösig zu werden. Ich besetze meinen Schlafsessel und träume mich nach morgen.
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In Olbia empfängt uns Sardinien per Sonnenaufgangsgruß. Yoga hat Ferien. Kaum festen Boden unter den Füßen, wollen wir an den Strand und stranden am Capo Camino. Knapp 60 Kilometer südlich der Fähranlegestelle haben wir bereits in einer anderen Welt angelegt. Wir versacken und versanden. Auf der späteren Weiterreise ins malerische Cala Gonone sehe ich zum ersten Mal an diesem Tag auf die Uhr.

Es ist 17.30 Uhr. Ich sage „Oh, es ist 17.30!“, kann dabei aber selbst gar nicht einschätzen, ob ich das jetzt als früher, oder später als gedacht empfinde, denn ich habe mein Zeitgefühl längst im Sand verloren. Draußen rauschen Olivenbäume an den Fenstern vorbei, Bergketten rekeln sich in die Höhe, Mamorgruben glänzen um die Wette. „Oh, es ist 17.30!“ ist wohl ein lauer Gedanke an die Zeit, in der Zeit gezählt hat. Aber dies ist in nächster Zeit vorerst kein Thema mehr. Mein Kopf ist jetzt auch angekommen. Im Urlaub.

Gegen 19 Uhr ist es zu dieser Jahreszeit bereits stockdunkel. Der Aktivitätszeitraum unseres Trips entspannt sich daher von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Danach passiert nicht mehr viel. Das Salz auf der Haut wird zur Tarnmaske für unsere Mission ohne Ziel. Der Campingstuhl wird zum Thron der nächsten zwei Wochen. Morgens kippt man sich dort den ersten Kaffee, abends das letzte Inchnusa, das Bier der Sarden, hinein. Der Po im Plastestuhl, die Füße im Sand.
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Als wir nahe Orosei nach einer Nacht des Wildcampierens erwachen, fährt gerade ein knapp 80-jähriger Sarde in seiner Cinquecento Schüssel an den Strand. Im Schlepptau zwei Damen seiner Generation. Sie parken, steigen aus, steigen wieder ein und fahren wieder. Natürlich nicht ohne verabschiedend zu hupen und zu winken. Sie scheinen erleichtert zu sein: Das Meer ist noch da.

„Die höchsten Menschen Sardiniens“ – so haben wir uns selbst getauft, nachdem wir den Bruncu Spina bestiegen haben. Zwar ist der Punta la Mamora fünf Meter höher und damit der eigentlich höchste Berg der Insel. Aber als wir auf dem Bruncu Spina stehen, bemerken wir, dass in diesem Moment kein anderer Erdenbürger auf der Mamora Spitze ist. Titelbetrug hin oder her – wir sind erschöpft und selig.

Bevor wir am dritten Tag einen fast geschlossenen, aber nahezu perfekt gelegenen Campingplatz nahe Tortoli anfahren, schlängeln wir uns einmal wieder durch eine wunderschöne Landschaft, in der sich knorrige alte Bäume mit Indian Summer Leinwänden und Dschungelabschnitten in sämtlichen Grünvariationen abwechseln. Ich beginne mich zu fragen, ob diese Insel auch mal ein hässliches Stück Erde vorzuweisen hat. Bisher scheint sie mir wie gesegnet.
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Als sich am kommenden Morgen die Wolken gegen uns verschwören, flüchten wir von der Küste zurück in die Berge und erkunden die serpentinenreiche Region Ulusai. Egal wo wir mit unserem Mobil durchrauschen, beobachten wir viele ältere Menschen. Nun sagen wir Männer. Wie kleine graue Felsen ruhen sie auf ihren Dorfplätzen und vor den Bars, trinken Kaffee und Bier und besprechen das Wichtigste des Tages. Vermutlich auch das Unwichtigste. Und ganz vermutlich auch alles, was irgendwo dazwischen liegt. Noch wichtiger aber ist, alle lächeln, viele winken und grüßen, wenn wir uns angestrengt und mit Schrittgeschwindigkeit durch die für Bobbycars gebauten Dorfstraßen quetschen. Doch manchmal folgt auf ein Lächeln auch ein Zaudern.

Widerlich unitalienisch haben wir uns getraut, in unserem zweitägigen Campdomizil an der Costa Rei unseren Gaskocher-Instant-Kaffee in unmittelbarer Anwesenheit des einheimischen Platzpersonals zuzubereiten. Dies hat uns nicht nur erschütternde Blicke, sondern auch besorgte Nachfragen eingebracht: „Tztztz. Dasse isse abere niche italiano!“ Ich bin mir sicher, wäre keine Nachsaison, wären wie aufgrund dieser kulturverachtenden Handlung prompt vom Platz geflogen. Doch hier steht die Kundschaft auch nicht mehr Schlange. Man wünscht uns daher höflich weiterhin viel Glück. Wir fühlen uns beschämt und flüchten an den mittlerweile wild gewordenen Wellen vorbei in den nächsten Ort.
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Frisch italienisch getraut heizt dort ein Pärchen samt Fiat-Familien-Freunde-Korso durch das komplett leergefegte Muravera. Wild hupend natürlich. Und skurril dazu. Denn außer uns beiden und unseren Eistüten ist ja weit und breit kein Leben zu vernehmen. Aber auch hier rücken wir dem italienischen Lebensgefühl wieder ein winziges Stück näher. Heißt, wenn es rund herum leise ist, lohnt es sich erst recht laut zu sein.
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Nachdem wir per Strandhüpfing die abwechslungsreiche und wunderschöne Costa del Sud in uns aufgesogen haben, passieren wir die Hauptstadt Cagliari. Die Betonung liegt auf passieren - wir fahren nicht rein. Nein. Heute keine „große“ Stadt (nun ja, in Cagliari leben immerhin 160.000 Menschen). Wir sind im Ruhe Modus. Wider dem City Trip. Weil wir so mutig sind, eine Bildungslücke zu kassieren, begrüßen uns in den Lagunen hinter Cagliari die ersten Flamingos. Zuverlässig, und wie aus Miami Vice bekannt, stehend auf einem Bein, das jeweils andere ruht sich aus. Herbstzeit ist Flamingozeit auf Sardinien.

In Chia del Torro enden wir wieder am Strand. Sanfte klare Welle drücken sich gegen den Sand. Ein braungebrannter Einheimischer mit silbernem Haar und knallenger weißer Badehose flaniert an uns vorbei und prophezeit uns aus zehn Meter Entfernung (mit Geste hin zu den stetig wachsenden Wolken): „Rain! In 10 minutes! Tsunami!“ Fünf Minuten später kehrt er aus der anderen Richtung zurück, flaniert uns vorbei und brüllt uns entgegen „Berlusconi!“ (er zeigt mit dem Daumen nach unten) „Sarkozy!“ (Daumen runter) „Merkel!“ (Daumen runter) „Ciao!“. Der Prophet zieht weiter. Die Wolken auch. Ich bin irritiert. Was für ein Aufstand, um von einer Badehose abzulenken. Doch schon döse ich wieder, denn Disco-Mario ruht in mir.
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Dass ich kein wirklicher Abenteuer-Urlauber bin, bemerke ich daran, dass ich nicht viel brauche, um mich wie in einem Abenteuer-Urlaub zu fühlen. Eines Abends fahren wir eine verlassene Bucht auf der Halbinsel Sant'Antioco an. In absoluter Dunkelheit wirkt die enge Bucht mit ihren dutzend Meter hohen Felswänden wie ein Gefängnis. Ich habe Schiss. Gibt es eigentlich noch Piraten? Unmöglich kann ich eine ganze Nacht hier verbringen. Stille ich gebe auf – ich brauche hörbares menschliches Leben in meiner Nähe. Ohne diese Form von Wiegenlied wird mein Herz ein Flummi bleiben – ein schlafloser Flummi. Wir ziehen weiter auf einen schnöden Parkplatz bei Salina. Zur endgültigen guten Nacht bekomme ich einen unfassbar klaren Blick auf die Milchstraße geschenkt. Oh du schöne Einfachheit der Dinge.

Einen Tag später erreichen wir die Costa Verde und platzieren unseren Bus mit Blick auf den Kilometer langen Sandstrand von Portixeddu bei Buggerru. Damit haben wir Ahnungslosen wieder ein Panorama erworben, für das Andere Millionen Euro teure Grundtücke ersteigern. Wir hingegen zahlen nichts. Außer 50 Euro für vier Kilo Pecorino. Der Mann, der uns das von Schafen erschaffene Ersatzrad verkauft, kommt morgens mit seinem mobilen Fiat 500 Mercarto vor unser Grundstück auf Zeit gefahren. Er findet uns in einer derart belämmerten Morgenlegasthenie vor, dass das Verkaufsgespräch auf italienisch von vornherein für ihn entschieden ist. Sind wir ab jetzt halt zu dritt unterwegs. Zwei Mädchen. Ein Käse.
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Nach einem wanderdünischen Traumtag bei Piscinas erreichen wir in der Dämmerung Torre, gönnen uns ein Hotelzimmer, duschen endlich mal wieder und stampfen los in die mittlerweile komplette Dunkelheit. In einem Ferienort mit lauter Ferienhäusern, die ebenfalls dunkel und verlassen sind. Bei der ersten Runde Orientierungslosigkeit haben wir noch Spaß. Bei der zweiten werden die Nerven mehr und mehr vom knurrenden Magen angenagt. Kurz vor ohne Abendbrot ins Bett folgen wir Musik– und Menschengeplärre und landen auf einem hässlich betonierten Dorfplatz. Die Einheimischen in Neonlicht der einzigen Bar weisen uns den Weg zur fünf Meter entfernten Pizzeria. Eine mit Plastikstühlen und ebenfalls Neonlicht ausgestattete Rettungsinsel deren erster Besetzer Giovanni heißt und dessen Untertan den Namen Mario trägt. Doch lassen es die beiden nicht zu, dass unser Ausflug auf ihre Insel nach zwei lächerlichen Pizzen und einem halben Liter mäßigem Roten bereits beendet sein soll.

Die beiden sind einsam. Es ist Nachsaison und der Steinofen schweigt. Und so wird unaufgefordert Sardegna Dulce aufgetischt, Myrte Likör, noch mehr Wein und unzählige Weisheiten. Wir kommunizieren in einer an diesem Abend neu erschaffenen Sprache aus Italienisch-Spanisch-Englisch-Gestisch. Wir lernen, dass Madrid irgendwo südlich von Sardinien liegt und als Pizzabäcker Mario selber Hunger bekommt, wird eben noch mal frischer Fisch und Focaccia zubereitet. Und der Wein fließt wie für eine ganze Touristen-Legion.
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Gut. Den nächsten Tag starten wir mit einem dicken Schädel und brauchen lange um anzukommen. Wir schleichen durch das gemütliche Oristano und weiter auf die Sinis-Halbinsel. Während man sich die Spagetti-Western Kulissen-Stadt San Salvatore sparen kann, sollte man den Rest von Sinis inhalieren wie Pfefferminzöl bei verschnupfter Nase. Je mehr Kilometer wir laufend am wilden Quarzsteinstrand Is Arutas und der südlichen Insel-Spitze von San Giovanni zurücklegen, desto klarer werden unsere Köpfe. Die Landschaft ist berauschend schön. Von der einen Seite knallt das Mittelmeer atlantisch ambitioniert an die Küste, auf der anderen Seite dümpelt es glitzernd, glatt und friedlich in der Sonne. Am Ende erhebt sich ein ausgeblichener Leuchtturm in die Höhe und flüstert mir zu „Besetz mich, ich bin dein Traumhaus.“ Ich sage: „Geht nicht. Meine Fähre wartet“ und denke: Meine Güte, ich will doch einfach nur hier bleiben.
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