Zwei farbige Balken auf weißem Grund, ein neues Leben ist entstanden. Mit einem positiven Schwangerschaftstest beginnt das Abwarten und Fencheltee trinken, das Beobachten und Herumtragen einer immer größer werdenden Wunderkugel, sorglos und freudvoll sein. Genau so sollten die kommenden Monate aussehen.
Wenn da diese Fragen nicht wären. Fragen, die wir uns selbst stellen. Fragen, die uns die anderen stellen. Fragen, die wir bis dahin nie zu fragten wagten, weil sie verdammt groß sind. Denn sie drehen sich um das Leben. Und um jemanden, den wir jetzt schon über alles lieben aber noch ganz und gar nicht kennen: unser ungeborenes Kind. Wie geht es ihm? Wie entwickelt es sich? Wird alles gut gehen? Betritt man den Kosmos der Schwangerschaft, so ist die Schwelle zum Pathos klein. Zumindest aus Elternsicht. Denn die Gefühle, die hier zum Tragen kommen, sind elementar und verwirrend zugleich. Spätestens mit dem ersten Besuch beim Frauenarzt ist man in einer Welt voller Widersprüche gelandet. Denn dort, im Antlitz von Medizin, Wissenschaft und Ratio erwartet die werdenden Eltern einerseits viel Hilfe, Aufklärung und Unterstützung. Andererseits aber auch unzählige Auslöser zur Verunsicherung. Will man mehr als die drei gesetzlich bezahlten Ultraschalls? Will man freiwillige, aber kostenpflichtige Tests zu Cytomegalie und Toxoplasmose? Bis zur Frage: Lässt man Untersuchungen zur pränatalen Diagnostik durchführen? Im Prinzip funktionieren pränatale Untersuchungen wie eine gigantische Superhelden-Lupe. Sie durchschauen uns bis auf den genetischen Grund, entdecken und deuten unsere kleinsten Puzzleteile. Nicht nur unsere, sondern vor allem die unserer Babys. Doch wie das bei Superheldenkräften so ist – sie sind mächtig, hilfreich und beeindruckend. Aber sie können auch Chaos anrichten. Denn ein Konflikt kommt auf uns zu. Und zwar nicht nur auf werdende Mütter und Väter – es ist ein Konflikt, der so weittragend ist, dass er uns alle herausfordert, weil aus einer sehr persönlichen Frage, nämlich der nach der Gesundheit des eigenen, ungeborenen Kindes auch immer mehr eine allgemeingültige wird. Denn es geht auch darum, was pränatale Diagnostik mit unserer Gesellschaft macht. Wie viel Superheldenkräfte können wir vertragen, ohne uns selbst platt zu machen? Als im Januar diesen Jahres in der ZEIT ein Artikel des Journalisten Ulrich Bahnsen über den sogenannten PraenaTest und dessen scheinbar lautlose aber absehbare Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen erschien, wurde eine Welle der Empörung und Verwunderung ausgelöst. Eine Welle, die wir immer mal wieder erleben, von denen es heutzutage viele gibt, so dass sie im Alltag meist verebben. Doch diesmal bleibt etwas. Zumindest dann, wenn man mal kurz inne hält und sich vor Augen führt, was dieser PraenaTest bedeuten könnte. Der PraenaTest ist ein nicht-invasiver vorgeburtlicher Test, für den Schwangeren Blut entnommen wird. Aus dem Mutterblut kann fetale DNA, also Erbgut des Babys, extrahiert und auf die Chromosomenfehler Trisomie 21, 18 und 13 hin analysiert werden. Die Untersuchung des Mutterbluts vollzieht das Labor der Konstanzer Firma LifeCodexx. LifeCodexx hat den PraenaTest 2012 auf den deutschen Markt gebracht und nach eigenen Angaben seither rund 10.000 Mal angewandt. Laut des Anbieters sei der Test speziell für Risikoschwangere entwickelt worden und könne bereits ab der vollendeten 9. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden. Was relativ früh ist im Vergleich zu etablierten Diagnostik-Methoden, die frühestens um die SSW 11 herum starten. Bisher müssen Schwangere diesen Test, dessen Diagnosegenauigkeit bei 99,8 Prozent liege, aus eigener Tasche bezahlen. Je nachdem wie umfangreich die Diagnostik ist, ob man lediglich auf Trisomie 21 oder auch weitere Defekte testen lässt, liegt die ungefähre Summe zwischen 600 und 800 Euro. LifeCodexx ist natürlich darum bemüht, dass dieser Test als Kassenleistung anerkannt wird. Das besonders prägnante: Laut des besagten ZEIT Artikels stünde dieser Test tatsächlich kurz davor, in den Kassenkatalog aufgenommen zu werden. Was auch bedeuten könnte, dass dieser Bluttest in Deutschland irgendwann zu einer Reihen- bzw. Routine-Untersuchung bei Schwangeren werde. Direkt nach Erscheinen Artikels bezog der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, kurz G-BA, Stellung und bot Einhalt, da die Entwicklung längst nicht so weit fortgeschritten sei, wie es der Autor deklarierte. Auch die von Kinderkram befragten Krankenkassen AOK, TK und DAK bestätigten, dass es derzeit noch keinerlei Übernahmepraxis gäbe und man auf das weitere Vorgehen des G-BA warte. Derzeit berät der G-BA zunächst über eine sogenannte Erprobungsrichtlinie, ist diese beschlossen, folgen erst einmal Studien. Das bedeutet: Schwangere können an der Studie teilnehmen und im Rahmen derer den PraenaTest durchführen. Die Kosten übernehmen in diesem Fall die gesetzlichen Krankenkassen. Nach Abschluss und Auswertung der Studie, entscheidet der G-BA dann, ob und inwieweit die erprobte Methode Teil des allgemeinen Leistungskatalogs der Kassen wird. Zudem würde laut Bundesausschuss ab sofort der Ethikrat in den mehrstufig und langfristig angelegten Entscheidungsprozess miteinbezogen. Dessen Einberufung macht bei dieser weitreichenden Thematik zweifellos Sinn, doch hatte dieser bereits im Jahr 2013 der Bundesregierung eine Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik vorgelegt und darin seine Tendenz verdeutlicht, dass „die Mehrheit der Mitglieder der Auffassung (sei), dass eine nichtinvasive pränatale Gendiagnostik (...) nur durchgeführt werden sollte, wenn ein erhöhtes Risiko für eine genetisch bedingte Erkrankung oder Fehlbildung vorliegt.“ Daher lehnt der Rat die Einführung solcher nicht-invasiver Tests zumindest in der Form allgemeiner Routinetests ab. Doch selbst wenn der ZEIT Artikel mit seiner zeitlichen Prognose überspitzt hat, klammert man mal aus, ob wir nun von drei Monaten oder drei Jahren reden und konzentriert sich auf die Entwicklung an sich, ist eines ja dennoch sicher: der Zug rollt und an Bord ist der PraenaTest. Denn er ist auf dem Markt. Und er hat einen klaren Vorteil gegenüber anderen pränatalen Methoden: Er ist nicht-invasiv und birgt somit kein Risiko für eine Fehlgeburt. Solange es also Amniozentesen oder Chorionzottenbiopsien gibt, die das gleiche Ziel verfolgen, nämlich das Auffinden von Chromosomenfehlern, aber auch risikobehaftet sind, gibt es erst einmal keinen Grund, den PraenaTest aus dem Verkehr zu ziehen. Denn er bringt eine Schwangere nicht in die Situation, für mehr Gewissheit über das ungeborene Leben eben dieses aufs Spiel zu setzen. Es geht deshalb nicht darum, ihn zu stoppen. Die Frage ist viel mehr, wohin wollen wir ihn lenken? Sollte der PraenaTest, wie vergleichbare Tests in anderen Ländern prinzipiell für alle Schwangeren durchführbar sein? Oder soll es nur eine sichere, weil nicht-invasive Ergänzung zu bisher etablierten und teilweise diagnosegenaueren Untersuchungen sein? Was wollen wir von ihm wissen – und was nicht? Was mit ihm erreichen? Diskriminiert sein Diagnoseziel und dessen mögliche Konsequenzen, wie es unter anderem die Deutsche Lebenshilfe ausdrückt, die Menschen mit Down-Syndrom? Diese Fragen rücken nun auch vermehrt in den Fokus der Bundespolitik und gehen dabei über die Parteiengrenzen hinweg, so dass Ende März eine sogenannte interfraktionelle Kleine Anfrage gestellt wurde. Seit der Deutschen Einheit, die erste Anfrage, die von Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen an die Regierung getragen wurde. Vertreter von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linke sprechen darin von einer „möglicherweise verhängnisvollen Entwicklung in der Pränataldiagnostik“ und befürchten, „scheinbar harmlose Bluttests könnten dazu führen, dass zukünftig deutlich weniger Kinder mit Down-Syndrom geboren werden“. Darüber hinaus könnte eine Ausweitung solcher Tests noch weitere Bereiche herausfordern. Zum Beispiel den Anspruch an eine umfassend professionelle und verantwortungsvolle Beratung betroffener Eltern, sowohl vor als auch nach einer Untersuchung. Dr. Alexander Meyer-Alber, 1. Vorsitzender von der Kieler Initiative Down Syndrom e.V. K.I.D.S., kritisiert beispielweise, dass die generelle Weiterentwicklung der medizinischen Möglichkeiten nicht unbedingt damit einhergehe, dass werdende Eltern auch besser beraten werden und sieht darin ein zentrales Problem: „Der leider zumindest psychologisch oft unprofessionelle und unangemessene Umgang von Gynäkologen und Pränatalmedizinern mit Eltern, die mit der Diagnose einer möglichen Trisomie 21 konfrontiert werden, wird dadurch nicht einfacher.“ |
Medizinische Laien würden zu immer weiteren medizinischen Tests gedrängt, dabei würde oft hinten angestellt, ob eine eventuell vorliegende Trisomie 21 überhaupt zu irgendeiner Konsequenz führen würde und ob diese psychisch oft sehr belastenden Tests überhaupt nötig seien, so Meyer-Alber. Er ist dreifacher Vater, seine jüngste Tochter ist acht Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Die allgemeine Angst vor dieser Behinderung können er und seine Familie nicht nachvollziehen. Umso mehr möchte er helfen, diese Ängste abzubauen. Er und die anderen Mitglieder von K.I.D.S. ermöglichen daher Eltern, die vor einer schwerwiegenden Entscheidung stehen, jederzeit, auch sehr kurzfristig, Familien mit Down-Syndrom Kindern zu besuchen und kennen zu lernen.
Zusätzlich zu einer ergebnisoffenen Schwangerenkonfliktberatung, die in Kiel beispielweise Pro Familia, „Eß-o-Eß“ oder das Haus der Familie anbieten, geht man so über ein eher theoretisches Was-Wäre-Wenn-Szenario hinaus und erhält einen Einblick in das wirkliche, durchaus normale Leben dieser Familien. Verliert so möglicherweise Berührungsängste und schließt Wissenslücken. „Unsere Tochter hat großartige Stärken und großartige Schwächen“, so Meyer-Alber und fährt fort, „unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt und braucht auch Menschen, die anders sind. Das kann sich unsere Gesellschaft auch leisten.“ Und hier kommen wir an einen wichtigen Punkt der pränatalen Diagnostik. Nämlich den Grund, warum es sie überhaupt gibt. Warum wir durch die Superhelden-Lupe schauen wollen. Weil wir Menschen eine berechtigte Angst vor Krankheiten haben. Weil mir möglichst alles ausschließen wollen, was uns Angst macht. Denn natürlich wollen wir, dass unsere Kinder gesund zur Welt kommen, und hoffen, dass sie ein möglichst gesundes Leben führen werden. Und so fokussieren wir unseren Blick und unsere Taten auf das gesunde, normale Leben. Und tun alles mögliche, um dies zu durchschauen und zu erreichen. Und wenn wir das nicht tun, tun es die anderen, die Gesellschaft. Sie stellen uns Fragen und erzeugen Druck. Ganz offensichtlich verlieren wir dabei aber den Blick auf das vermeintlich Unnormale. Geben dieser Facette des Lebens vermutlich erst gar keine Chance. Inklusion, was ist das schon? Haben wir also weder privat noch beruflich Kontakt mit diesen Menschen, können wir uns kein umfassendes Urteil bilden. Denn wir leben zwei verschiedene Leben auf zwei verschiedenen Planeten – normal und anders. Es geht also nicht wirklich darum, ob wir solche Tests überhaupt machen dürfen. Zweifellos soll jede Frau diese Möglichkeiten nutzen dürfen. Gleichermaßen aber sollten wir nicht nur fragen, ob wir Tests machen oder nicht. Sondern auch WARUM. Denn die gesellschaftliche Haltung und das Wissen der Anderen können eine Stütze oder gar ein Wegweiser sein. Aber nur wir treffen und leben diese Entscheidungen. Wir allein, jede Familie für sich. Die Auseinandersetzung mit dem Warum mag eine große persönliche Herausforderung sein und misst den Grad unseres Selbstbewusstseins. Aber wir sind es dem Leben schuldig. Sei es noch so klein. Und mag es zu Beginn so abstrakt erscheinen: Diese zwei farbigen Balken auf weißem Grund. STICHWORTVERZEICHNIS Pränatale Diagnostik Pränatale Diagnostik geht über die normale Schwangerschaftsvorsorge hinaus. Sie umfasst verschiedene Untersuchungsmethoden vor der Geburt und wird meist Risikoschwangeren empfohlen. Sie kann zum einen die Intaktheit der Schwangerschaft bestätigen. Mit ihr lässt sich jedoch auch eine begrenzte Anzahl von Erkrankungen oder Behinderungen des Kindes feststellen. Risikoschwangerschaft Als Risikoschwangere gelten beispielsweise Schwangere, die über 35 Jahre alt sind, bereits eine Fehl-, Früh- oder Totgeburt hatten, ein Kind mit Behinderung bekommen haben oder eine Mehrlingsgeburt erwarten. Dies sind nur einige von weiteren Risiko-Faktoren, was auch bedeutet, dass mittlerweile verhältnismäßig viele Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften eingestuft werden. Ersttrimester Screening Das Screening wird in der Regel in SSW 11 bis 13 durchgeführt und ist eine Kombination aus Ultraschall- und Blutuntersuchung. Beim Ultraschall wird die Nackentransparenz gemessen, zudem kann bei guten Untersuchungsverhältnissen eine erste Organ-Diagnostik vorgenommen werden. Außerdem werden aus dem mütterlichen Blut zwei Hormonwerte bestimmt. Anhand der ermittelten Nackentransparenz- und der biochemischen Werte erfolgt eine individuelle Risikokalkulation für die häufigsten Chromosomenstörungen. Die Berechnung erfolgt ausgehend vom Alter der Mutter. Chorionzottenbiopsie Untersuchung auf Chromosomenfehler durch Gewebeprobe aus der Plazenta (Mutterkuchen). Invasive Methode, die in der Regel in SSW 11 bis 14 durchgeführt wird. Amniozentese Untersuchung auf Chromosomenfehler durch Analyse des Fruchtwassers. Invasive Methode, die in der Regel in SSW 15 bis 18 durchgeführt wird. Humangenetik Das Gebiet Humangenetik umfasst die Aufklärung, Erkennung und Behandlung genetisch bedingter Erkrankungen. Zudem bietet es eine genetische Beratung, sofern der jeweilige Arzt eine zusätzliche Qualifikation laut GenDiagnostikGesetz 2012 erworben hat. Ergibt sich also aus einer genetischen Untersuchung ein auffälliger Befund, muss der Arzt seine Patienten für eine weitere genetische Beratung zu einem Facharzt für Humangenetik überweisen. Gemeinsamer Bundesausschuss G-BA Der G-BA bestimmt anhand verschiedener medizinischer und wirtschaftlicher Kriterien welche Leistungen der medizinischen Versorgung von den gesetzlichen Krankenkassen (GVK) übernommen werden. Seine Richtlinien haben den Charakter einer untergesetzlichen Norm und sind daher bindend für alle GVK. Das Gremium besteht aus Ärzten, Psychotherapeuten und Vertretern von Krankenhäusern und -kassen. Den gesundheitspolitischen Rahmen für die Entscheidungen des G-BA bilden die Gesetzte des Parlaments. GenDiagnostikGesetz GenDG Das GenDG trat im wesentlichen 2010 in Kraft und regelt genetische Untersuchungen bei Menschen sowie die Verwendung genetischer Proben und Daten. Es soll gleichzeitig vor Gefahren schützen und Chancen wahren, die von der Forschung in diesem Bereich ausgehen könnten. Zu den Grundprinzipien des GenDG zählt das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu gehören sowohl das Recht, die eigenen genetischen Befunde zu kennen (Recht auf Wissen) als auch das Recht, diese nicht zu kennen (Recht auf Nichtwissen). BERATUNG & KONTAKT K.I.D.S. Kiel e.V. (Kieler Initiative Down Syndrom) www.kids-kiel.de Ansprechpartner: Dr. med. Alexander Meyer-Alber, 1. Vorsitzender. Handy: 0176 13 26 72 33 Mail: alexander.meyer-alber@gmx.de Pro Familia Kiel Bergstraße 5 Beratung: Frau Dr. Jahn-Vetter Telefon: 0431-86230 Mail: Anna.Jahn-Vetter@profamilia.de oder kiel@profamilia.de Haus der Familie Kiel Beratung: Erika Boyens-Piepgras Lornsenstraße 12 Telefon: 0431 248903 Mail: e.boyens-piepgras@hdf-kiel.de Eß-o-Eß Frauenberatungsstelle Kiel Kurt-Schumacher-Platz 5 Telefon: 0431 524241 Mail: mail@frauenberatung-essoess.de Katharina Troch (erschienen in Kinderkram, Ausgabe Mai/2015) |
Die 33-jährige Journalistin Mareice Kaiser aus Berlin berichtet auf ihrem Blog Kaiserinnereich über ihr Leben als Mutter von zwei Töchtern, mit und ohne Behinderung. Kaiserinnenreich wurde bei den Goldenen Bloggern 2014 als Bester Newcomer Blog des Jahres ausgezeichnet.
Kinderkram: Eure erste Tochter Greta* kam 2011 mehrfach behindert zur Welt. Magst Du uns kurz erklären, was für Behinderungen sie hat? Mareice Kaiser: Greta ist mit einem seltenen Chromosomenfehler zur Welt gekommen, der keinen Namen hat. Es gibt auch weltweit in der Literatur keinen anderen Fall, der so ist. Es gibt also niemanden an dem man sich orientieren kann. Greta ist gehbehindert, gilt als taubblind, ist also gehörlos zur Welt gekommen, und hat nur noch einen kleinen Sehrest. Ihre schlimmste Behinderung ist eine chronische Darmkrankheit, die Morbus Hirschsprung heißt, mittlerweile aber insofern erfolgreich operiert wurde, dass sie von alleine Stuhlgang haben kann. Zudem kann Greta mittlerweile von alleine Sitzen und mit Hilfe stehen, was ein toller Fortschritt ist. Das allerschönste aber ist, dass sie gerne lächelt, wenn ihr was gefällt. Sie ist einfach ein ganz zufriedenes Kind. Wie verlief Deine erste Schwangerschaft und inwiefern hast Du Dich damals begleiten lassen? Ich hatte von Anfang an schon immer das Gefühl, dass es wichtig ist, was ich fühle und denke. Ich hatte mich damals dennoch komplett ins Thema eingelesen. Aber nie so mit einer Haltung, was die da so schreiben ist richtig, sondern eher, dass ich mir das raus picke, was mir zuspricht. Ich hatte eine Hebamme, die mich auch schon in der Schwangerschaft begleitet hat. Und ich hab auch Kurse wie Schwangeren-Turnen und so nen Partnerkurs mitgemacht. Da ich vor der Schwangerschaft sehr viel gearbeitet habe, sah ich das auch irgendwie als Auszeit und reduzierte schnell meine Stunden. Insgesamt habe ich die Schwangerschaft total genossen, nicht zuletzt auch, weil ich einen sehr fürsorglichen werdenden Papa an der Seite hatte, und gehegt und gepflegt wurde wie noch nie zuvor in meinem Leben. Gab es nach der Geburt eurer ersten Tochter Menschen, die Euch das Gefühl vermittelt haben, Ihr hättet etwas falsch gemacht. Und wie war das bei Euch selbst? Also tatsächlich gab es mal einen Arzt, der mich gefragt hat, ob ich während der Schwangerschaft geraucht hätte. Darüber habe ich mich natürlich sehr aufgeregt, denn Greta hat einen genetisch bedingten Chromosomenfehler und es wäre mehr oder weniger total egal gewesen, ob ich geraucht hätte oder nicht. Ich hab neun Monate alles getan, mich gesund zu ernähren, nicht zu rauchen, nicht zu trinken, das Beste für mein Kind zu machen... Und ja, eine Frage mit der wir immer wieder konfrontiert werden, ist: „Wusstet ihr das denn nicht vorher?“ Nein, das wussten wir nicht, aber es hätte für uns womöglich auch keinen Unterschied gemacht. Wir haben in der Schwangerschaft mit Greta bewusst darauf verzichtet, Untersuchungen zuzulassen, die über die normale Schwangerschaftsvorsorge hinaus gehen. Bei der Nackenfaltenmessung beispielsweise war uns klar, dass dabei das Risiko für ein Kind mit Down-Syndrom herauskommen könnte. Ein Kind mit Down-Syndrom würden wir aber haben wollen, deswegen mussten wir diese Untersuchung auch nicht machen. Und bei den ganz normalen Untersuchungen war immer alles okay. Inwiefern haben Euch die Erfahrungen aus der Schwangerschaft Eurer ersten Tochter für die Eurer zweiten Tochter gestärkt oder verunsichert? Ich würde sagen, ausschließlich gestärkt. Gar nicht unbedingt aus der Erfahrung mit der Schwangerschaft, sondern eher durch das Leben danach mit Greta. Es wurde immer klarer für uns, dass es am allerwichtigsten ist, auf uns zu hören, auf das Eltern-Gefühl. Wir als Eltern sind die Experten für unsere Kinder und das beginnt schon im Mutterleib. Deswegen merke ich auch, dass ich mittlerweile eine sehr selbstbewusste Mutter bin. Und das war dann auch in der Schwangerschaft mit Momo so, dass ich die Einstellung hatte, das ist mein Kind und ich allein treffe die Entscheidungen. Das ist aber natürlich ein Lernprozess, gerade für Mütter. Dennoch haben wir aber natürlich auch sehr gehofft, dass sie nicht behindert sein würde. Habt Ihr dann mehr Untersuchungen machen lassen? Ja, wir haben uns dann für Pränataldiagnostik entschieden, was wir eben bei unserer ersten Tochter nicht gemacht haben. Weil nun klar war, dass es ein erhöhtes Risiko für einen Chromosomenfehler gibt, da ich einen Chromosomenfehler habe, den ich an ein Kind weiter geben könnte. Du galtest dann ja aufgrund der Vorgeschichte als sogenannte Risiko-Schwangere. Fühltet Ihr Euch aus diesem Grund von den Medizinern besonders unterstützt oder eher bedrängt? Die erste Reaktion war auf jeden Fall immer Schock. Als ich wieder schwanger wurde, waren wir noch ziemlich eingebunden in die Untersuchungen von Greta. Es war noch nicht klar, um was für einen Chromosomenfehler es genau geht oder wie hoch das Wiederholungsrisiko ist. Für fast alle war klar, dass sich das Thema Kinderwunsch für uns erst mal erledigt hätte. Nur eine einzige Ärztin hatte bis dahin in einem Gespräch überhaupt mal in Erwägung gezogen, wie das ablaufen würde, wenn wir einen weiteren Kinderwunsch haben. Dass wir dann nämlich ein Fall für eine ethische Kommission wären, bei der man vorsprechen könne und die dann über eine mögliche bezahlte, künstliche Befruchtung beraten. Seit der Geburt von Greta hatten wir zudem immer eine tolle Humangenetikerin an unserer Seite. Und die gab uns wirklich das Gefühl, dass allein wir entscheiden, was jetzt passiert. In die Ecke gedrängt gefühlt habe ich mich eigentlich eher von mir selbst. Denn damals hatte ich das Gefühl, ich kann mich jetzt gar nicht richtig entscheiden. Wenn ich mich gegen Pränataldiagnostik entscheide, dann kann ich die Schwangerschaft nicht genießen. Wenn ich mich dafür entscheide, das Kind aber vielleicht wieder einen Chromosomenfehler hat, was soll ich dann machen? Man sagt Schwangeren ja immer, mach nur die Untersuchungen, wenn du dir über die Konsequenzen klar bist. Wir wussten es bei Momo nicht. Ich glaube, es ist immer einfach zu sagen, wenn es ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen gibt, dann treibe ich ab. Aber was du wirklich tun würdest, das weißt du erst, wenn du tatsächlich in der Situation bist. Welche pränatale Untersuchung habt Ihr damals gemacht? Wir haben die Chorionzottenbiopsie machen lassen. Beim ersten Mal bin ich, kurz bevor der Arzt in meinen Bauch stechen wollte, von der Liege aufgesprungen. Ich konnte das einfach nicht machen lassen, ich hatte Angst um mein Baby. |
Drei Tage später haben wir es dann doch machen lassen. Und bis heute ist die Frage da, was wäre gewesen, wenn es ein auffälliges Ergebnis gegeben hätte. Ich weiß es bis heute nicht. Mein Mann sagt, ich hätte wohl nicht abtreiben lassen können. Ich konnte im ersten Anlauf ja noch nicht mal die Untersuchung machen lassen. Und wahrscheinlich hat er Recht.
Was ist dein Eindruck, inwiefern bleibt einem heute noch Raum für eine selbstbestimmte Schwangerschaft oder mütterlichen Instinkt? Das Vertrauen in sich selbst geht flöten. Vielen Frauen wird heute die „gute Hoffnung“ genommen. Das ist ja so ein alter Ausdruck für die Schwangerschaft. Diese besagte „gute Hoffnung“ ist aber ziemlich schnell weg durch diese ganzen Untersuchungen. Andererseits finde ich es auch wichtig, in der Schwangerschaft zum Frauenarzt zu gehen. Jede Mutter hofft ja verständlicherweise darin bestätigt zu werden, dass alles gut ist. Wichtig ist aber auch zu überlegen, wie man damit umgeht, wenn nicht alles gut ist. Und auch, was „gut“ denn eigentlich bedeutet. Was sind Deine Gedanken zur Methodik PraenaTest? Ich habe Angst vor einer Gesellschaft, die Menschen aussortiert. Weil auch immer die Frage ist, wer sortiert die dann aus und was sind die Kriterien. Auf der anderen Seite glaube ich, dass nun, wo dieser Test da ist, er auch genutzt werden wird. Weil Menschen einfach so sind, sie wollen ganz viel wissen, auch über das ungeborene Leben. Umso wichtiger finde ich es, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, wie eine Gesellschaft in 50 Jahren oder 100 Jahren aussehen soll. Wir müssen uns heute ja schon oft rechtfertigen, ein behindertes Kind bekommen zu haben. Und dieser Druck wird auch mit solchen Tests immer stärker. Ihr müsst Euch rechtfertigen? Ja, aber das kenne nicht nur ich, sondern auch andere Eltern von behinderten Kindern. Sprüche wie „Musste das denn sein?“ oder „Konnte man da nichts machen?“ sind keine Einzelfälle. Wenn es nach einer pränatalen Diagnostik tatsächlich zu einem Befund kommt, was ist das wichtigste, das die werdenden Eltern nun brauchen? Eine ergebnisoffene Beratung. Es gibt zum Glück tolle Beratungsstellen. Und was ich auch sehr wichtig finde ist, dass man sich nicht nur im Internet informiert. Sondern, wenn möglich, Kontakt zu Familien in ähnlichen Situationen aufnimmt, die sich vielleicht auch für das behinderte Kind entschieden haben. Ich habe nichts gegen einen Schwangerschaftsabbruch, wenn es für die Mutter die richtige Entscheidung ist. Aber ich glaube auch, dass eine Entscheidung für ein behindertes Kind oft daran scheitert, dass es heute noch kein selbstverständliches Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung gibt. Dass wir also nicht in einer inklusiven Gesellschaft leben und daher nur selten Kontakt mit behinderten Menschen haben. Als Greta zur Welt kam, dachte ich auch erst mal, mein Leben ist vorbei. Bis dahin hatte ich keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Ich wusste nicht, dass meine Tochter auch in eine Kita gehen kann und in eine Schule, dass ein normales Leben auch mit einem behinderten Kind möglich sein kann. Kritiker des PraenaTests bemängeln, dass er sich auf die Diagnose Trisomie 21 fokussiert. Es erwecke den Eindruck, diese Behinderung solle quasi ausgeschaltet werden und diskriminiere Menschen mit Down-Syndrom. Was denkst Du als Mutter eines schwer behinderten Kindes, kann pränatale Diagnostik tatsächlich diskriminieren oder birgt es vor allem Chancen? Tatsächlich ist es so, dass Menschen mit Down-Syndrom quasi ausgerottet werden. Und für mich als Mutter eines schwerbehinderten Kindes ist das irgendwie fast paradox. Für einige Eltern schwer behinderter Kinder gilt das Down-Syndrom fast als Luxusbehinderung. Natürlich geht es hier nicht darum, wer das schlimmste Schicksal hat. Aber tatsächlich ist das Down-Syndrom ja wirklich eher eine leichte Form der Behinderung und von daher ist es für mich als Mutter eines schwer mehrfachbehinderten Kindes so, dass ich mich über ein Kind mit Down-Syndrom freuen würde. Chancen bietet die pränatale Diagnostik natürlich auch. Wie schafft Ihr es, trotz allem euer eigenes, selbstbestimmtes Familienleben zu führen? Gute Frage, keine Ahnung (lacht). Ich kämpfe ziemlich hart dafür. Aber einfach ist es nicht. Was viele Eltern behinderter Kinder ab einem gewissen Punkt eint ist der Kampfeswille. Wenn man schlimme, lebensbedrohliche Situationen mit dem Kind durchgestanden hat, kommt er irgendwann automatisch. Ich habe noch keine Eltern kennengelernt, die ihre behinderten Kinder nicht über alles lieben. Das ist genau so wie bei Eltern von nichtbehinderten Kindern: Man wächst durch diese Liebe fürs Kind einfach über sich hinaus. Meine Taktik: Ich bin die Macherin und organisiere viel. Mir war von Anfang an wichtig, ein Leben nach meinen Ansprüchen zu führen, das für uns alle so normal wie möglich ist. Dass Greta in die Kita gehen kann, dass ich arbeiten kann... Der Wunsch nach mehr als nur Mutterschaft, trotz und mit allem. Mit deinem Blog „Kaiserinnenreich“ bewegst Du auch viele Eltern gesunder Kinder, sich zwanglos mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wie wichtig ist für uns alle das Thema Inklusion? Lebenswichtig. Inklusion bedeutet ja, menschliche Vielfalt anzunehmen. Ich finde, das ist ein großes und großartiges Ziel. Unser Töchter gehen zusammen in eine Kita. Warum auch nicht? Nur, weil die eine behindert ist? Das würde für mich keinen Sinn machen. Für später wünsche ich mir, dass sie auch gemeinsam zur Schule gehen können – wenn sie es beide möchten. Greta ist eine große Bereicherung für mein Leben. Und sie bereichert auch andere Menschen, die mit ihr in Kontakt kommen. Es wäre doch schön, wenn das über die Kita hinausginge. Menschen einfach annehmen, mit ihren Stärken und Schwächen, das ist doch ein gutes gesellschaftliches Konzept – für uns alle, egal ob mit oder ohne Behinderung. Danke für das Interview, Mareice. Das Interview führte Katharina Troch *Aus Gründen der Privatsphäre nennt Mareice auf Ihrem Blog ihre Töchter „Kaiserin 1“ und „Kaiserin 2“. Um das Lesen zu erleichtern, hat Mareice den Mädchen nun die Leihnamen Greta und Momo verliehen. Nachtrag im Januar 2016: Wir senden Gedanken voller Bewunderung und Traurigkeit an die wundervollen Eltern der kleinen Greta. Sie ist im Dezember 2015 gestorben. http://kaiserinnenreich.de/2015/12/31/ein-elefant-fuer-dich-epilog/ |
Kinderkram KK: Frau Dr. Eckmann-Scholz, wird der sogenannte PraenaTest oft bei Ihnen angewandt?
Dr. Eckmann-Scholz: Die Frauen, die zu uns kommen, kommen primär, weil sie eine Nackentransparenzmessung machen lassen wollen und nicht wegen des PraenaTests. Bei der Nackentransparenzmessung geht es um ein generelles Screening von Auffälligkeiten bei den Kindern. Leider wird es in der Bevölkerung immer wieder so transportiert, dass wir eigentlich nur nach Down-Syndrom Kindern suchen. Dagegen wehre ich mich vehement, denn das ist nicht Aufgabe der Pränatal Diagnostik. Vielleicht wird das in anderen Ländern anders gesehen und verkauft, aber nicht in Deutschland. In wie fern hat sich die Arbeit im Alltag der pränatalen Diagnostik durch den Bluttest verändert? Für uns hat sich noch nicht wirklich viel geändert, weil ich glaube, dass die Frauenärzte sehr vorsichtig mit dem Thema umgehen, und ihren Patienten den Test nur dann empfehlen, wenn sie ein höheres Risiko vermuten. Wenn man jetzt jedoch annehmen würde, alle Krankenkassen bezahlen das, dann weiß ich nicht, was da auf uns zukommt. Denn dann könnte ich mir schon vorstellen, dass das viele Patienten in Anspruch nehmen wollen. Laut GenDiagnostikGesetz gibt es das Recht auf Wissen und Nichtwissen. Wenn einer Schwangeren also der Test empfohlen wird, muss sie ihn natürlich nicht machen. Aber ist es nicht irgendwie auch so, dass gerade Paare, die zum ersten Mal Eltern werden, in dieser neuen Lebens-Situation tendenziell eher überfordert sind und dann oft das machen, was ein Arzt empfiehlt? Anders gesagt: Wie viel Raum gibt man in der medizinischen Beratung dem mütterlichen Instinkt und der Selbstbestimmung? Das ist eine Frage, die mich seit 30 Jahren beschäftigt. Das ist dieser Eiertanz in der pränatalen Diagnostik und in der medizinischen Beratung. Also ich gehe ein wenig davon aus, dass uns Pränatal Diagnostikern unterstellt wird, wir wollen nur kranke Kinder finden. Und das ist Blödsinn. Wir haben das GenDiagnostikGesetz, das regelt, was man der Patientin als Arzt an Untersuchungen anbieten darf und wer überhaupt eine Beratung vornehmen darf. Also beispielsweise, dass kein niedergelassener Arzt, der nicht laut GenDiagnostikGesetz die Qualifikation für eine Beratung hat, den PraenaTest für eine Schwangere veranlassen darf. Genauso so wie ich auch kein Ersttrimester Screening machen darf, wenn ich die Frau vorher nicht klar darüber aufgeklärt habe, was ich mache, mit welcher Fragestellung ich untersuche und dass dabei auch was auffälliges herauskommen kann. Und wenn ich das Gefühl habe, eine Frau ist sich dessen nicht ausreichend bewusst, dann geht sie gegebenenfalls ohne Untersuchung wieder nach Hause. Und ja, jede Frau hat ein Recht auf Nichtwissen und das wird in den Praxen glaube ich auch so mit den Frauen besprochen. Was konkret könnte eine Situation sein, wo Sie werdende Eltern noch mal zum Nachdenken nach Hause schicken? Wenn ich beispielsweise sehe, das ist ein junges Paar ohne familiäre Belastung. Dann rede ich schon nochmal darüber, ob sie sich im Klaren sind, dass es bei diesen Untersuchungen um weitaus mehr geht als um die Frage nach einem schönen Ultraschallbild. Habe ich dann immer noch das Gefühl, dass das Bewusstsein darüber nicht ausreichend ist, bitte ich die Patienten, nochmal in Ruhe darüber nachzudenken, was sie wirklich wissen wollen. Das kommt aber eher selten vor. Meinem Eindruck nach haben sich die meisten damit vorher genau auseinandergesetzt. Kritiker des Verfahrens Praenatest sagen, dass Frauen nun gedankenloser mit dieser Untersuchung und einer in Folge kommenden Entscheidung umgehen könnten. Kurz und gut, sie würden einen Abbruch leichter nehmen... Das halte ich für eine überzogen Interpretation. Eine Leichtigkeit im Umgang mit einer Schwangerschaft habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Nein, leicht tut sich da keine Frau. Selbst wenn da ein Paar ist, das sagt, wir wollen zwar prinzipiell Kinder, aber im Augenblick passt es absolut nicht in die Lebenssituation, dann ist selbst diese Frau mit ihrem Abbruch in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt. Aber es ist eine andere Fragestellung, wenn es ein Wunschkind ist, das Trisomie 21 hat. Ich habe keine Frau erlebt, die bei einem Schwangerschaftsabbruch mit einer Trisomie 21 nicht erst mal in einen Gewissenskonflikt kommt und sich das sehr genau überlegt. Wir haben auch da unsere Richtlinien, wie wir in solch einem Fall vorgehen, und dürfen mit Diagnosestellung nicht sofort den Abbruch machen. Jede Frau muss zwischen Befund und Eingriff mindestens drei Tage Wartezeit haben. |
Hierzu ziehen wir häufig eine psychologische Begleitung der Frau hinzu. Und ob das einfacher wird, wenn eine Frau diese Diagnose nach einem Bluttest nachgewiesen bekommt...? Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Nicht bei Frauen, die ein Wunschkind erwarten. Die Kritiker behaupten, diese vermeintliche „Vereinfachung“ hänge auch damit zusammen, dass der Praenatest ja schon recht früh, also bereits kurz vor der 10 SSW angewandt werden kann... Ja, aber nicht hier bei uns in Deutschland. Wir brauchen ja eine bestimmte Menge freier DNA und das geht eigentlich erst richtig ab SSW 12 plus 0. Wenn überhaupt wird der PraenaTest hier in der Regel nach dem Ersttrimester Screening gemacht, das frühestens ab SSW 11 plus 3 stattfinden kann. Nur ganz, ganz wenige lassen tatsächlich den Praenatest schon machen, bevor sie zum Ersttrimester Screening gehen. Aber auch da erst frühestens so in der 12. Schwangerschaftswoche. Glauben Sie, der Bluttest wird tatsächlich zur Regelleistung der Kassen und könnte damit innerhalb der Schwangerenvorsorge zur Routine werden? Ich hoffe nicht, dass es zur Routine wird. Erst mal glaube ich, dass das keiner bezahlen kann. Und außerdem halte ich es nicht für richtig. Denn dann kann wirklich jede Frau ihr Blut irgendwo untersuchen lassen und bekommt im Zweifelsfall ohne irgendeine Beratung und ohne irgendeinen Ultraschall eine Diagnose, mit der ich gar nicht weiß, wie eine Frau dann damit fertig werden soll. Was ich mir wünsche, ist dass die Krankenkassen den Praenatest bezahlen, wenn es im Ersttrimester Screening einen auffälligen Befund mit einer Risikodiagnose von 1 zu 50 gibt. Da wäre es hilfreich, wenn eine Frau dann nicht 600 Euro selbst bezahlen muss, weil sie aus Angst vor einer Fehlgeburt statt einer invasiven Diagnostik lieber den PraenaTest zur Absicherung nutzen will. Dafür muss das Risiko aber dementsprechend hoch sein. Wie begegnen Sie als Ärztin medizinischen Innovationen wie dem PraenaTest: Ist da zunächst mal eher Euphorie und Neugier oder auch Unbehagen? Unbehagen schwingt immer mit, wenn man sich vorstellt, welcher Missbrauch damit betrieben werden kann. Zum Beispiel nur weil Firmen damit Geld verdienen können, ist es keine Methode, die man jeder Patientin anbieten sollte. Und weil man ja auch weiß, dass es gewisse genetische Veränderungen gibt, die nicht mit einer Krankheit einhergehen, sondern vielleicht nur einem Schönheitsideal unterliegen. Also dass Eltern sich vielleicht tatsächlich ihr Designer-Baby zusammenstellen können. Das ist sicher nichts, was wir uns als seriöse Mediziner wünschen. Der Vorteil ist, dass man Eltern sagen kann, dass sie ein schwerkrankes Kind erwarten. Und, da kann ich mich nur wiederholen, damit meine ich nicht das normale Down-Syndrom. Das Spektrum eines Down-Syndroms kann von quasi mehr oder weniger unauffälligen bis hin zu sehr schweren Krankheitsbildern gehen. Manche dieser Krankheitsbilder sind extrem schwierig für Eltern zu händeln, und natürlich für die Kinder selbst. Wenn man solche Krankheitsbilder, wenn sie familiär gehäuft auftreten, vielleicht doch schneller diagnostizieren kann, kann ich mir vorstellen, dass man damit Leid von den werdenden Eltern abwenden kann. Also insgesamt es ist der Wunsch nach Verbesserung einer Medizin zum Schutz menschenwürdigen Lebens, aber es ist auch die Angst vor dem Missbrauch. Und dazwischen bewegen wir uns ständig und immer in der Pränatal Diagnostik. Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Eckmann-Scholz. Das Interview führte Katharina Troch Foto (c) privat |
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