Mutter UND Freundin
Vom Wiederfinden, Neuentdecken, Weiterlieben oder ganz und gar verlieren.
Wie mein Muttersein Freundschaften verändert und gestärkt hat.
Eine gute Freundschaft – was genau bedeutet das eigentlich? Für mich: Sich blind verstehen und große Vertrautheit. Macken haben und dennoch gemocht werden. Das Leben gemeinsam meistern und feiern. Doch was, wenn sich das Leben verändert – und plötzlich auch die Freundschaft? Als ich Mama wurde, merkte ich sehr schnell, dass einige Freundschaftsbande länger und lockerer wurden.
Mit vielen meiner Freundinnen hatte ich durch meine zahlreichen Umzüge sowieso eine Art Fernbeziehung. Doch nah blieben wir uns immer. Stundenlange Telefongespräche über Lebenswichtiges und Höchstbelangloses, Mails und Nachrichten zu allen Tageszeiten und viele spontane Besuche. Als ich dann Mama wurde, rückten aber nicht nur Kilometer, sondern auch das Leben zwischen uns. Schwankend zwischen unbändigem Elternglück und riesiger Freude auf der einen Seite, und Schlafmangel und Überforderung auf der anderen Seite, stand ich da mit meinem gefühlt neuen Ich und musste mich selbst erst mal kennenlernen. Was dann begann, war ein gegenseitiges sich Ziehen lassen. Doch nicht nur einige Freundinnen zogen sich zurück, auch ich ließ los. Ein großes Paradoxon – denn auf der einen Seite sehnte ich mich nach Freunden an meiner Seite und brauchte sie mehr denn je. Aber gleichzeitig war ich so mit mir selbst beschäftigt, dass ich kaum Kraft hatte zu geben. Und: Ich sehnte mich danach blind und ohne große Worte verstanden zu werden. Zu hören “Mir geht es ganz genauso, alles ganz normal.“ Andere Mütter mussten her! Und so kamen neue Gefährtinnen hinzu – Muttifreundinnen. Aufgetaucht beim Babyschwimmen, in der Rückbildung oder im Spielkreis. Nicht bei allen machte es von Herzen klick, und je mehr sich der Nebel der ersten Monate als Neu-Eltern lichtete, wurde mir klar, dass es hier außer Mama Themen nichts zu reden gibt. Und dass mir das allein nicht reicht. Aber einige blieben auch. Eine ist sogar zu einer wahren Freundin geworden. Aber noch etwas ist geschehen – dadurch, dass sich mein Blick auf die Welt verändert hat, bin ich anderen auch wieder näher gerückt. Noch näher als ich je erwartet hätte, dass es möglich wäre. Ich besann mich zurück auf meine Freundinnen, die es eh schon ewig gab, die aber vor mir Mutter wurden und von denen ich mich irgendwie entfernt hatte. Weil ich meinte, sie würden mein Leben nicht mehr so Recht ernst nehmen und mir unzuverlässig schienen. Sie sagten lang geplante Mädelswochenenden ab, weil plötzlich das Kind krank wurde. Verließen um 23 Uhr nüchtern die Kneipe, und murmelten was von „nicht genug Milch abgepumpt“. |
Sie zuckten zusammen bei der Frage nach einem spontanen Kaffee und hörten mir nicht richtig zu, vor allem wenn das Kind dabei war. Wir sprachen nicht mehr miteinander, sondern schmissen uns Monologe über unsere derzeitigen Leben um die Ohren... Was fühlte ich mich damals hinten angestellt und was war ich genervt. Wenn ich mal Mama bin, werde ich niemals so sein und ALLES anders machen...
...Pustekuchen! Wenn ich mal Mama bin, dann was? Bin ich ganz genauso. Ein Mensch mit riesiger Verantwortung, eine Versorgerin, eine Kümmerin – vom Aufstehen bis ins Bett gehen, durch die Nacht hindurch und von heute bis immer. Kinder kriegen Kinderkrankheiten, Eltern wenig Schlaf, Zeit für einen selbst glitzert verlockend in der Ferne und wird kostbar wie ein Schmuckstück. Und da hat es wieder einmal Klick gemacht. Denn voller Demut vor meinen geliebten Freundinnen frage ich mich: Wie arrogant und null emphatisch war ich eigentlich bitte? Und wie sehr habe ich damals meine Freundinnen im Regen stehen lassen, während ich überzeugt war, ich selbst stehe im Regen. Damals fühlte es sich an, dass sich, seitdem die Kinder der Freundinnen auf der Welt waren, ein komplett neues Universum aufgemacht hat. Und dass dieses nun zwischen uns stand. Jetzt weiß ich, es wurden uns nur ein paar neue Türen geöffnet. Aber ich war nicht bereit, dort mit einzutreten und mir das ganze von Nahem anzusehen. Also mussten sich unsere Lebenslinien erneut annähern, damit wir uns wieder blind verstehen. Und selbst für diesen Moment der Besinnung sind nicht alle Freundschaften gemacht. So gibt es für mich auch eine, die ich ganz verlor. Die sich schon mit Bekanntgabe meiner Schwangerschaft leise aber deutlich sichtbar in Luft auflöste. Das tat ganz kurz weh. Aber nun verstehe ich, wir waren niemals für immer für einander bestimmt. Und auch das ist ok. Ohne Zweifel. An manchen Tagen vernebelt mir das Muttersein meine Sinne, aber meist nur, um sie kurz darauf umso mehr zu schärfen. Denn jetzt weiß ich ganz sicher: Eine gute Freundschaft bedeutet auch, Veränderungen zu akzeptieren und auf einander zu warten. Freunde also, die immer noch da sind, wenn man seinen Kopf endlich wieder aus einer Wolke raus streckt, in der man sich befand – egal ob es eine dunkelgraue oder eine rosarote Wolke war. Für Euch, meine lieben Freundinnen. Katharina Troch (erschienen in Kinderkram, Ausgab Juli/2016) Foto (c) Katharina Troch |