Der Januar startete mit einem Tod. Und das Schlimme ist, wir haben auf ihn gewartet. Über viel zu viele Jahre hinweg hat er sich mehr und mehr ins Leben geschlichen. Lange war er nicht als solcher erkennbar. Der Januar startete mit einem Tod. Und das Schlimme ist, wir haben auf ihn gewartet. Über viel zu viele Jahre hinweg hat er sich mehr und mehr ins Leben geschlichen. Lange war er nicht als solcher erkennbar.
Er war ein bloßes Pieken, war ein nerviger Schwindel, war ein doofer Moment. Der Moment verwandelte sich zu nicht so guten Tagen, zu schwierigen Wochen, zu fiesen Monaten. Zu viel zu vielen Jahren. Als erstes dann hat er Dir den Führerschein genommen. Oder besser gesagt, Du hast ihn ihm freimütig gegeben. Und damit das erste Stück Deiner Selbstständigkeit. Irgendwann dann wurden Treppchen zu Hügeln, Stockwerke zu Bergen und das Zuhause Deiner Enkel zum Gipfel, unerreichbar. Deine Erde plötzlich nur noch Erdgeschoss. Einst selbstbestimmte Schritte durch ein bewegtes Leben wurden zu einem Zögern, Füße stoppten, obwohl der Kopf noch nicht am Ziel war. Du bist so oft gefallen – und so oft wieder aufgestanden. Es kam der Rollator, es kam der Rollstuhl. Das letzte Mal in den Urlaub gefahren, den Enkel vom Kindergarten abgeholt, das letzte Mal ein Stück Frankfurter Kranz bei Café Fiedler, ein Geburtstagsgeschenk gekauft, die Füßen in den Sand gesteckt, die Nase in die Sonne gehalten, die Füße zur Musik gewippt, eine Karte geschrieben, auf dem Markt gewesen, Blumen gepflückt, mit den Nachbarn geschnackt, telefoniert, einen Satz gesprochen, ein Wort geschrieben. Wer weiß schon zuvor, wann ein Mal das letzte war? Deine Augen verloren ihr Ziel, Deine Welt wurde unscharf. Mehr und mehr verschwammen alle Geliebten und alles was Du liebtest. Bilder bildeten sich nur noch aus Erinnerungen. Ein Blick voller Liebe, der ins Leere ging, weil die Krankheit es so will. Aus Deiner Sprache wurde ein Geheimnis, Deine Gedanken wurden zu Sprüngen. Aus Worten wurden Laute, wurde ein Flüstern, wurde Stille. Ein Nicken, ein Schütteln, ein Händedruck, oder zwei, letzter Ausdruck Deines Willens. Aus dem Glas wurde ein Becher, aus dem Becher ein Becher mit Schnabel, aus dem Becher mit Schnabel eine Spritze mit Strohhalm, aus dem Strohhalm ein Tupfer zum Befeuchten. Das Leben floss nur noch tröpfchenweise. Doch Dein Glucksen und Dein Lächeln, Deine Gedanken und Gefühle, Deine Erinnerungen, die hat er Dir bis kurz vorm Schluss nicht nehmen können. Ja. Deine Liebe zum Leben hat es ihm verdammt schwer gemacht. Dem Tod. Er kam an einem Tag in diesem Januar. Und obwohl wir auf ihn warteten, wiegt Dein Verlust kein Gramm leichter. Den Tod werden wir keinen Tag lang vermissen. Aber Dich für immer. Für Karin, die Kämpferin. Danke für Alles. Deine Katharina
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Was hier passiert
Erfahren Sie hier mehr über mich, meine aktuellen Projekte und hören Sie einfach mal wieder gute Musik. Neben Lesen ist sie eine meiner wichtigsten Inspirationen. Archiv
August 2020
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